Schulen zum Lern-Campus weiterentwickeln
Viele Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern berichten von quantitativer Überforderung. Sie beklagen, dass Schultage oft bis in den späten Nachmittag hinein dauern und Hausaufgaben und Vorbereitung für Klassenarbeiten in den Abendstunden und an Wochenenden erledigt werden müssen.
Nicht alle Elternhäuser können die schulische Begleitung der Kinder in zeitlicher, intellektueller und finanzieller Weise gewährleisten, die notwendig sind, um erfolgreich die Schule zu besuchen. Nicht die Fähigkeiten der Eltern, sondern die individuellen Fähigkeiten des Kindes müssen entscheidend sein, welcher Bildungsweg eingeschlagen werden kann.
Wir Freie Demokraten fordern deswegen einen Paradigmenwechsel in der Schulpolitik, bei dem die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler in fachlicher und pädagogischer Hinsicht und in Bezug auf ihre School-Life-Balance in den Mittelpunkt gestellt werden.
Das Konzept folgt dem Kerngedanken, dass Schülerinnen und Schüler keine höhere Wochenschulzeit haben sollten als die übliche Wochenarbeitszeit von Arbeitnehmern. In dieser Wochenschulzeit soll alles enthalten sein, was zum erfolgreichen Schulbesuch gehört: Unterrichtszeiten, Vertiefungszeiten, Übungen, Vorbereitungen für Klassenarbeiten, Projekte etc. Schulen müssen dafür die entsprechende Unterstützung der Schülerinnen und Schüler leisten.
Die maximale Wochenschulzeit soll altersabhängig gestaltet werden.
Die heute üblichen Halbtagsschulen können diese Aufgaben weder räumlich noch personell bewältigen, selbst dann, wenn sie einen Status als Ganztagsschule haben. Schulen von heute sind oft so konzipiert, dass ein Großteil der zu leistenden Arbeit im außerschulischen Bereich stattfinden muss, oft in den Familien. Es bedarf somit grundlegender Änderungen der Schulkonzepte, damit Schülerinnen und Schüler stressfreier die Schule bewältigen können und einen wirklichen „Schulschluss“ haben. Um das zu erreichen, sollen Schulen zu Lern-Campussen umgestaltet werden.
- Die Schulen müssen über den Fachunterricht hinaus pädagogische Unterstützung und Begleitung bereitstellen, damit Schülerinnen und Schüler ihren Lern- und Übungsaufwand ohne Unterstützung der Eltern oder anderer Personen bewältigen können. Das ist ein wesentlicher Aspekt zur Chancengerechtigkeit.
- Die Schulen bieten Lernzeiten an, in denen Aufgaben wie Wochenaufgaben und individuelle Lernaufträge bearbeitet werden können. Das ersetzt weitgehend die Hausaufgaben, die zwingend außerhalb der Schule erledigt werden müssen. Die gestellten Aufgaben können aber auch wie bisher zu Hause bearbeitet werden, wenn die Schülerinnen und Schüler das wünschen. Schulen können Lernzeiten für einzelne Schülerinnen und Schüler für verbindlich erklären, wenn das für notwendig erachtet wird.
- Schülerinnen und Schüler sollen über individuelle Lernkonzepte eine wirkliche Förderung erhalten, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Damit kann eine Überforderung schneller erkannt werden und es können geeignete Lösungen vorgeschlagen werden. Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler in der Schule die geeignete Unterstützung erfahren, um möglichst selbstständig den zum Kind passenden Bildungsweg bewältigen zu können.
- Bei drohendem Schulversagen sollen betroffene Schüler einen individuellen Schulcoach bekommen, der sie für einen begrenzten Zeitraum unterstützt und fördert.
- Zur Bereitstellung der notwendigen Ressourcen sollen möglichst alle hessischen Schulen (Grund- und Mittelstufe) zu teilgebundenen Ganztagsschulen ausgebaut werden. Die für Ganztagsschulen im Profil 2 vorgesehenen 20% Zusatzversorgung mit Lehrerstellen soll voll ausgeschöpft werden. Bei vorliegenden und evaluierten Konzepten soll diese Zusatzversorgung auf bis zu 30% ausgeweitet werden können. Eine Teil-Monetisierung der Zusatzversorgung soll möglich sein, um z.B. zusätzliches Personal einzustellen.
- Die räumliche Situation heutiger Schulen muss sich verändern. Es sind andere Raumkonzepte wie Stillarbeitsräume, Computer-Pools und Gruppenarbeitsräume notwendig. Das muss bei allen Neu- und Umbauten berücksichtigt werden. Wo möglich, sollen bestehende Schulen umgestaltet werden. Ziel ist es, eine dem neuen Lernkonzept angemessene Raum- und Aufenthaltsqualität zu schaffen.
Ziele des Konzeptes sind:
- Verbesserung der Chancengerechtigkeit: Für viele Schüler hängt der Schulerfolg davon ab, welche Unterstützung sie durch Eltern und/oder Nachhilfeunterricht erfahren. Die Aufgabe der Förderung und Unterstützung soll auf die Schulen übertragen werden und nicht von den finanziellen, zeitlichen und intellektuellen Möglichkeiten des Elternhauses abhängen.
- Altersabhängige Begrenzung der tatsächlichen Wochenschulzeiten und damit bessere Möglichkeiten zur Gestaltung des Familienlebens und der Freizeit.
- Eine deutliche Trennung von Schule und Familienleben kann stattfinden. Wer in der Schule lernen und sich vorbereiten möchte, soll das dort tun können und dann „frei“ von Aufgaben nach Hause gehen. Das ist ein aktiver Beitrag der Gesundheitsprävention.
- Frühzeitiges Erkennen qualitativer Über- und Unterforderung, um geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.
- Stärkung der Schulautonomie, die die Wochenschulzeit und die Gestaltung der Beratung selbst bestimmen können.
- Bessere Möglichkeiten der Unterrichtsevaluation durch Austausch der Fachlehrer mit anderen pädagogischen Fachkräften.
- Verringerung von schulbezogenen Symptomen, wie z.B. bestimmte Formen der Depression, Schulangst, Stresssymptome.
- Das Vereinsleben wird gestärkt. Die Kinder haben nach 16h/17h Zeit für Vereinsaktivitäten und können so ihre sozialen und individuellen Fähigkeiten fördern.