Frankfurter Thesen für eine liberale Flüchtlings- und Einwanderungspolitik

Immer mehr Zuwanderer kommen zu uns – als Asylsuchende, als Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge oder als Menschen auf der Suche nach Lebensperspektiven. Viele von ihnen werden dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, vorzugsweise in den Metropolregionen. Erwartungsgemäß wird daher auch mit einem Nachzug enger Familienangehöriger zu rechnen sein. Die FDP ist sich der immensen Herausforderungen für Bürger, Gesellschaft, Kommunen und Staat bewusst, die durch den Zuwanderungsstrom ausgelöst werden.

Der aktuelle Zustrom von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien und Zuwanderern aus den Staaten des westlichen Balkan und die Schwierigkeiten des Umgangs mit der Situation machen deutlich, dass die Politik von Angela Merkel es versäumt hat, eine langfristig angelegte und zukunftsorientierte Perspektive für eine Zuwanderung zu entwickeln. Lediglich das vielfältige und umfangreiche Engagement zahlloser Ehrenamtlicher ermöglicht es überhaupt, eine gewisse Ordnung und Struktur in die Versorgung und Erstaufnahme der Zuwanderer zu bringen. Allen Helfern gebühren höchste Anerkennung und Dankbarkeit für dieses Engagement.

Dass durch den Zuwanderungsstrom auch Befürchtungen und Ängste ausgelöst werden, ist uns bewusst. Wir nehmen dies sehr ernst. Langfristig kann eine Integration der Zuwanderer, die hier bleiben wollen und dürfen, immer nur gelingen, wenn die Menschen vor Ort, die Nachbarn, die Vereine, die Kitas und die Schulen gemeinsam die Kraft und den Mut dazu aufbringen.

Die Freien Demokraten haben bereits vor längerer Zeit ein schlüssiges Konzept zur qualifizierten Einwanderung vorgelegt. Die aktuelle Situation beweist, wie nötig eine intelligente und vorausschauende Beschäftigung mit dem Thema Zuwanderung ist. Die Freien Demokraten in Frankfurt nehmen die Herausforderung an und legen mit diesem Papier Grundzüge eines Konzeptes vor, um die Chancen der Zuwanderung für Frankfurt nutzen zu können, ohne die Risiken und Probleme dabei zu negieren.

Als weltoffene, leistungsfähige und tolerante Metropole kann Frankfurt auf lange Sicht durch die Flüchtlinge gewinnen, wenn die Herausforderungen der Integration gemeistert werden. Allerdings ist eine koordinierte und konzertierte Politik von der kommunalen bis zur europäischen Ebene unverzichtbar.

Deshalb fordern die Freien Demokraten von der Stadt Frankfurt:

  • Der Magistrat der Stadt Frankfurt soll umgehend zur dezentralen Unterbringung der Flüchtlinge zurückkehren, sobald die Flüchtlinge jeweils registriert sind. Dieses Registrierungsverfahren ist zu beschleunigen. Große Lager in Turnhallen müssen eine temporäre Notunterkunft bleiben und können keine Dauerlösung sein.
  • Der Magistrat wird aufgefordert, freiwillige Angebote der Bürger zur Unterbringung von Flüchtlingen in die Planung der Unterbringung einzubeziehen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.
  • Die Stadt muss von Zwangseinweisungen oder gar der Beschlagnahme privater Immobilien als Flüchtlingsunterkünfte Abstand nehmen. Solche Vorhaben führen nur dazu, die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung zu untergraben und Ängste zu schüren. Es gibt genug leerstehende Gebäude der öffentlichen Hand und Möglichkeiten zur Unterbringung auf dem Wohnungsmarkt.
  • Die Stadt soll kurzfristig leerstehende Gebäude im Eigentum der öffentlichen Hand für die Unterbringung von Flüchtlingen freigeben und herrichten.
  • Die Probleme in dem bereits heute hart umkämpften Frankfurter Wohnungsmarkt werden sich durch den Flüchtlingszustrom weiter verstärken. Bei der Ausweisung neuer Baugebiete muss trotz des zunehmenden Drucks mit Maß und Verstand vorgegangen werden. Es dürfen keine Wohnghettos entstehen. Auf eine angemessene Qualität der Bauplanung ist weiterhin zu achten. Die auf Druck der FDP eingeführten günstigeren Planungen für Kindertagesstätten zeigen, dass auch ohne überteuerte Passivhausstandards hochwertiges Bauen möglich ist.
  • Die Stadt sollte – sofern der Bedarf an Unterkünften anderweitig nicht gedeckt werden kann – überdies die Möglichkeiten der Errichtung von Wohnhäusern in Schlichtbauweise zur vorübergehenden dezentralen Unterbringung prüfen.
  • Die Sicherheits- und Ordnungsbehörden sollen dafür Sorge tragen, dass Flüchtlingsheime und deren Umgebung keinesfalls zu rechtsfreien Räume werden. Rechtsverstöße – vor allem bei Gewalt gegen Menschen – müssen konsequent verfolgt und geahndet werden. Die Notwendigkeit einer getrennten Unterbringung von Frauen und Männern ist zu prüfen, um sexuelle Belästigungen und tätliche Übergriffe auf Frauen zu vermeiden.
  • Für Freie Demokraten ist Bildung der Schlüssel zum eigenverantwortlichen Leben. Daher begrüßen wir beispielsweise die ehrenamtlichen Deutschkurse der Frankfurter Initiative teachers-on-the-road und die Angebote der Goethe-Universität (Academic Welcome Program for highly qualified refugees). Die Stadt muss diese Initiativen angemessen unterstützen.
  • Die Freien Demokraten fordern einen möglichst schnellen Beginn der Integrationskurse und die Schaffung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen. Kern der Integrationskurse muss dabei neben der Sprachvermittlung insbesondere die Vermittlung der Werteordnung unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft bleiben.
  • Die Stadt Frankfurt sollte Flüchtlingen die Möglichkeit einräumen, so rasch wie (gesetzlich) möglich eine ihrer Ausbildung adäquate Arbeit anzunehmen oder eine Ausbildung zu beginnen. Hierzu müssen die Stadt, die IHK, die Arbeitsagenturen und die Ausländerbehörden noch enger zusammenarbeiten. Dabei sind insbesondere die Verfahren zur Feststellung von Kompetenzen, Fähigkeiten und Bildungsstand der Flüchtlinge zu professionalisieren und zu beschleunigen. Die FDP Frankfurt schlägt einen monatlichen runden Tisch zur Bestandsaufnahme und Beratung von Jobangeboten für Flüchtlinge vor.
  • Die Stadt Frankfurt wird aufgefordert, die Kooperation mit entwicklungspolitischen Institutionen der Stadt / Region (z.B. KfW, GIZ) im Hinblick auf die Flüchtlingspolitik zu intensivieren.

Deshalb fordern die Freien Demokraten vom Land Hessen:

  • Die aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellten Finanzmittel müssen vom Land Hessen ungekürzt an die Kommunen weitergereicht werden, um kurzfristige bauliche Investitionen durchführen zu können.
  • Das Land muss seine Verantwortung im Bereich der Bildung auch für die Flüchtlinge wahrnehmen. Es müssen kurzfristig Lehrer und Pädagogen eingestellt werden. Zunächst wird der Schwerpunkt auf den Spracherwerb liegen müssen. Bildungspolitisches Ziel sollte dabei die schnellstmögliche Integration in den normalen Schullalltag sein. Die von der Landesregierung vorgesehenen Kürzungen der Lehrerversorgung sind zurückzunehmen.
  • In diesem Zusammenhang sollen überdies frühzeitig mögliche Analphabeten ermittelt werden, welche selbstverständlich die notwendige Unterstützung durch ein Angebot von Alphabetisierungskursen erhalten sollen.
  • Über die Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen muss schnell entschieden werden.
  • Ein Schulbesuch von Flüchtlingen bis zum 25. Lebensjahr muss ermöglicht werden.

Deshalb fordern die Freien Demokraten in Frankfurt von Bund und EU:

  • Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Einwanderungs- und Asylpolitik und deren Durchsetzung. Die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns ist hier mindestens so groß wie im Falle der Eurokrise.
  • Die EU muss eingestehen, dass das unsolidarische System von Dublin gescheitert ist. An seine Stelle muss ein verbindliches Quotensystem zur Verteilung von Flüchtlingen in Abhängigkeit von Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl der Mitgliedsstaaten treten. Humanitäre Hilfe für bedrohte Menschen muss gewährt werden, aber nicht nur von Deutschland und wenigen anderen Staaten. Das Instrument des „politischen Asyls“ muss wieder ernst genommen werden, seine Grenzen sind aufzuzeigen.
  • Die Einrichtung einer gemeinsamen Sicherung der Außengrenzen der EU.
  • Ein sogenannter „Lastenausgleich“ zwischen den EU-Staaten ist aus Sicht der Kommunen nicht zielführend. Die Freien Demokraten in Frankfurt fordern eine gemeinsame EU-Asylpolitik und eine gemeinsame EU-Einwanderungspolitik. In der EU existiert das Prinzip der Freizügigkeit; eine nationale Asyl- oder Einwanderungspolitik erscheint somit absurd.
  • Was die Flüchtlinge aus den Krisenregionen im Nahen Osten sowie Nord- und Ostafrika anbelangt, ist eine Pauschallösung bei der Anerkennung als Flüchtling sicher für den Augenblick eine vernünftige Idee.
  • Die Mitgliedsstaaten der EU müssen die Voraussetzungen für eine konsequente und zügige Durchführung der Asylverfahren und im Falle einer Ablehnung des Asylantrags eine konsequente Abschiebung von nicht anerkannten Asylbewerbern in ihre Herkunftsstaaten schaffen.
  • Zu den mittelfristigen zentralen Aufgaben der EU wird eine Europäische Außenpolitik gehören, die diesen Namen verdient und echte politische Perspektiven für den Mittelmeerraum entwickelt.
  • Einer Steuererhöhung zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms lehnen die Liberalen ab.
  • Es ist zu prüfen, ob an den Grenzübergängen zur Abwicklung der Genehmigungsverfahren Transitzonen eingerichtet werden können.